Verpasste Chancen - genutzte Chancen
Die Lohmühle an der Herscheider Straße
Plettenberg. (HH) Die Lohmühle an der Herscheider Straße wurde 1821 ohne Baugenehmigung
(eine bis heute vereinzelt noch gepflegte Tradition) errichtet von
Caspar Heinrich Hanebeck. In ihr wurde die Eichenrinde, die Lohe, zermalen und zum
Gerben der Lederhäute verwendet. 1857 erbte Sohn Heinrich Wilhelm Hanebeck die Mühle.
Da die Mühle keinerlei Wasserrechte besaß (den Elsebach dennoch zum Antrieb nutzte), wurde 1873 eine Dampfmaschine in einem eigens
dafür errichteten massiven Anbau installiert - die Mühle konnte jetzt wahlweise mit
Wasser- oder Dampfkraft betrieben werden.
1875 erbt Gustav Hanebeck die Mühle von seinem Vater; in der angeschlossenen Gerberei
wurde bis 1880 nur Sohlenleder hergestellt, seither vorzugsweise Riemen- und Oberleder
produziert. 1883 gibt Gustav Hanebeck den Betrieb wegen wirtschaftlicher Probleme auf.
Fabrikant Karl Meuser besitzt in den folgenden 6 Jahren den Betrieb, dann übernimmt
der Lohgerber Gustav Schulte (er hatte bis dahin an der Waschebecke - Waskebieke eine
Gerberei) die Lohmühle. Das Wasserrad war bis zu Beginn des II. Weltkriegs in Betrieb,
ein Elektromotor hatte davor die Dampfmaschine abgelöst.
Die Lohmühle war bis 1935 in Betrieb, die Gerberei noch nach dem II. Weltkrieg. Aus
"verkehrstechnischen Gründen" wurde die Mühle im Juni 1978 von Hand abgetragen und das
Holzfachwerk für mehrere Jahre ins Imprägnierbad gesteckt. Der Wiederaufbau erfolgte
Jahre später im Freilichtmuseum Mäckingerbachtal. Dort wurde 1981 ein zweites Mal
Richtfest für die Lohmühle gefeiert.
Wer heute an nahezu gleicher Stelle eine hässliche Betonwand mit Tapetenmuster-Bemalung stehen
sieht, kann schwer nachvollziehen, warum dieses Technische Denkmal abgerissen werden
musste. Die "verkehrstechnischen Gründe" von damals sind heute jedenfalls nicht mehr
nachvollziehbar. Die Lohmühle als Elsebach-Überbauung, mit dem Wasserradantrieb durch
einen Obergraben, wäre an der Einmündung Herscheider Straße/An der Lohmühle ein Blickfang
und Wahrzeichen von Plettenberg. Eine verpasste Chance.
Eiringhausen - als noch "Kirmes im Dorf" war
Eiringhausen. (HH) Ja so war das, wenn in den 1950er Jahren "Kirmes
im Dorf" war. Vor dem Bahnhof (Foto), in Post- und Brauckstraße herrschte ein lustiges
Treiben. Unzählige Buden waren aufgebaut, die "Raupe" stand auf dem Bahnhofsvorplatz,
Kettenkarussel, Los- und Wurstbude wurden gestürmt, der Verkehr war für drei Tage
ausgesperrt. Später wurde die Kirmes auf die Kellermannsche Wiese verbannt. Dann kehrte
sie zurück in die Brauckstraße. Wenn der Bahnhofsvorplatz umgebaut und die Brauck- und
Poststraße neu gestaltet sind, wird die Kirmes wohl wieder dort aufgebaut, wo sie
schon zu Äggeriner Urzeiten gefeiert wurde. Eine genutzte Chance.
Das "Haasesche Haus" - einst Stammburg der
Plettenberg. (HH) Unmittelbar neben dem Sparkassengebäude am Umlauf, dort wo einst
Jugendheim und Pestalozzischule auf historischem Grund errichtet wurden, stand das
1958 abgerissene Stammhaus der Familie von Plettenberg, auch "die Burg" genannt. Der ehemalige
Stadtarchivar Albrecht von Schwartzen schrieb dazu:
"Der Bau der Burg wird der Hauptgrund für die Umbenennung des Ortes Heslipho in
Plettenberg gewesen sein. Die Burg war eine regelrechte Wasserburg. Ihr Gebiet zog
von der ehemaligen Kornmühle am Umlauf bis zur Haltermans Brücke am unteren Umlauf,
dann am rechten Elseufer aufwärts bis zur Einmündung der Oester in die Else und von
dort oesteraufwärts bis zur Mühle. Das Burggelände war etwa 4500 qm groß, hatte mehrere
große Burghäuser und war rundherum mit hohen Mauern und Wassergräben umgeben. Das
letzte Gebäude der ehemaligen Burg, das die langen Zeiten bis in die Gegenwart überdauerte,
war das nach seinem letzten Besitzer benannte sog. Haase'sche Haus" am Umlauf."
Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts war dieses Haus im Besitz der Familie von Plettenberg.
Dann kam es vorübergehend an die Familie Krupp in Essen. Beim Stadtbrand im Jahre 1725
hatte der Dachstuhl Feuer gefangen und war ausgebrannt. Zu der Burg gehörte seit ältester
Zeit die Mühle am Umlauf, auch Borgmoille genannt. Als im 12. Jahrhundert die Familie von
Plettenberg sich sehr verzweigte, schrieben sich die Mitglieder des in der Stammburg
verbliebenen Zweiges von Plettenbracht "dictus de molendino" oder zu deutsch: genannt
von der Moelen. Erst als nach dem Bau der Burg Schwarzenberg die Familie dort seßhaft wurde,
im Auftrag der märkischen Grafen und später der clevischen Herzöge das Drostenamt
verwaltete, und dieses sogar erblich über viele Generationen innehatten, nannten sie sich
'von Plettenberg zu Schwarzenberg'".
1957 machten die Stadtväter ihren Plan öffentlich, das Stammhaus der Familie von Plettenberg
abreißen zu wollen. Das Haus war für die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien genutzt
worden. Jedes einzelne Zimmer wurde zur Wohnung umfunktioniert, was an den vielen
Ofenrohren, die einfach aus dem Fenster ins Freie geleitet wurden, erkennbar war. Zwangsläufig
präsentierte sich das ehemalige Burghaus nach vielen Jahren als Behelfsheim nicht in bestem
Zustand (siehe Foto). Deshalb der Plan: Abriss!
Es setzte ein heftiger Protest der Bürger ein. Wochenlang wurde in Leserbriefen für den Erhalt
des "Haaseschen Hauses" gekämpft, doch vergeblich. 1959 wurde das über 800 Jahre alte Haus
abgerissen. Hinweise, wo die uralten, handgeschnitzten Einbaumöbel, die herrlich verzierten
Treppengeländer und die alten Ofenplatten geblieben sind, gibt es nicht. Was für Altena die
Burg Holtzbrinck, hätte die Burg derer von Plettenberg für die Vier-Täler-Stadt sein können:
ein Zeugnis für die Ursprünge der Stadt. Eine verpasste Chance.
Kein Geld für die Lok der Plettenberger Kleinbahn
(HH) Die Geschichte der Kleinbahn reicht von der Jungfernfahrt 1896 bis zur Einstellung am 17. Juli 1962.
Das Foto zeigt die letzte (Personen-)Fahrt der
Plettenberger Kleinbahn. Hier kommt sie vom Kleinbahngelände an der
Posenschen Straße und biegt unter der "Schwarzen Brücke" in die
Herscheider Straße in Richtung Stadtmitte ein. Gezogen wird der Zug von der Kastendampflok
Henschel Nr. 3. Diese Lok sollte nach dem Willen der Bürger als Denkmal in Plettenberg
bleiben und wäre heute sicherlich das Glanzstück auf der Strecke der Märkischen
Museumseisenbahner. Doch 1962 wollte niemand rund 4000 DM für diese Lok aufbringen.
Sie ging nach Bruchhausen-Vilsen bei Bremen, wo sie von Eisenbahnfreunden nach langer
Depot-Zeit aufgearbeitet wurde und heute - technisch und optisch schöner denn je - wieder
Personenzüge zieht. Eine in Plettenberg verpasste Chance.
"Villa Engelhardt" musste der Commerzbank weichen
Plettenberg. (HH) Der Villa Engelhardt an der Grünestraße war keine lange Lebenszeit beschert.
Von Wilhelm Seißenschmidt wurde das Gebäude 1891 errichtet, nach seinem Schwiegersohn
hieß sie spätestens nach dem II. Weltkrieg nur noch "Villa Engelhardt". Im Februar
1954 wird zunächst die mächtige Ulme im Vorgarten gefällt. Der Abriss erfolgte 1966.
Auf dem freigeräumten Gelände entstand der Neubau der Commerzbank. Ein so markantes,
stadtzentrales Gebäude wie die Villa Seißenschmidt hätte sich gut als Kulturzentrum
gemacht, wäre Stipendiatenhaus und Ausstellungshalle, passendes Ambiente für Konzerte
und Kleinkunst gewesen. Eine verpasste Chance.
Die ehemalige Jugendherberge - ein Gästehaus,
Plettenberg. (HH) Am 29. November 1953 wurde auf dem Hirtenböhl im Beisein von
Richard Schirrmann, dem Begründer der Jugendherbergen, die neue Plettenberger Jugendherberge
mit 200 Betten eingeweiht. Es war der erste Neubau des DJH-Landesverbandes nach dem Kriege.
Um den Bau realisieren zu können, sammelten Herbergsfreunde um Adolf Hollweg und Ernst Rübsamen
rd. 50.000 DM. Hinzu kamen 140.000 DM aus der amerikanischen McCloy-Spende plus eine Beihilfe
der Stadt Plettenberg. Die stiftete 7.000 DM sowie den gesamten Grund und Boden und
legte kostenlos eine Zufahrtsstraße zur Bergkuppe an.
Im Oktober 1987 wurde die Jugendherberge auf dem Hirtenböhl geschlossen. Das Deutsche Jugendherbergswerk
(DJH) wollte den aufgelaufenen Sanierungsbedarf nicht stemmen und investierte vorhandene Mittel lieber
in neue Jugendherbergen andernorts. Ersatz wurde in der Vier-Täler-Stadt nicht geschaffen - das
DJH empfahl Besucher ins benachbarte Heggen auszuweichen. Die Stadtväter konnten sich damals nicht
entschließen, das Gebäude zu übernehmen. So wurde es veräußert und in (Teileigentums-)Wohnungen
umgewandelt. Damit hatte die Stadt die Chance vertan, ein Gästehaus in fantastischer Alleinlage
über dem Stadtzentrum zu schaffen, bzw. weiterhin eine Jugendherberge am Ort zu halten. Viele
Wandervereine (SGV) schaffen es, vereinseigene Wanderheime zu unterhalten. Eine Kommune wie
Plettenberg wäre also finanziell durchaus in der Lage gewesen, durch geschicktes Marketing das
architektonisch einzigartige Gebäude mit Gästen zu füllen. Eine verpasste Chance.
Übrigens: In der Jugendherberge, deren Entstehung Ernst E. Fastenrath in einem 16-mm-Film festgehalten
hat, erinnerte eine Broncetafel an die Spende der amerikanischen Bürger für den Bau. Wer weiß
etwas über die Tafel? Existiert sie noch? Hängt sie in einer Kellerbar oder hat sie das DJH beim
Verkauf abmontiert?
Eines der schönsten Fachwerkhäuser
Das Kesselhaus der Firma Graewe & Kaiser:
(HH) Die wenigsten Mitbürger werden wissen, dass der hochgelobte "Stephansdachstuhl"
aus diesem ehemaligen Kesselhaus der Firma Graewe & Kaiser ausgebaut und zum
Alten Markt verfrachtet wurde. Eine Fehlentscheidung, denn hier hätte die
Verwaltung auf den Investor für das Graeka-Gelände Einfluss nehmen müssen,
damit das Kesselhaus erhalten bleibt. Es wäre in Verbindung mit dem Baumarkt
ein wunderschönes Gebäude für die Abteilung Gartenpflanzen etc. geworden. Dieses
Haus hätte nach eine Sanierung ein Blickfang werden können. Stattdessen
bemüht sich die Stadt bislang vergeblich, den Investor dazu zu bringen, wenige
Meter weiter ein Trafohäuschen zu verkleiden, damit den Bürgern dieser schäbige
Anblick erspart bleibt. Das Kesselhaus abzureißen war die verpasste Chance.
Ein Schmuckkästlein - der Bahnhofspavillon |